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Univ.-Prof. Dr. Iris Wenderholm

Professorin für Kunstgeschichte an der Universität Hamburg

Porträtfoto Wenderholm von Katharina Haa

©Katharina Haase

Ihren beruflichen Weg begann Univ.-Prof. Dr. Iris Wenderholm mit einer Ausbildung in einem Hamburger 5-Sterne-Hotel. Besonders lange habe sie das allerdings nicht durchgehalten. Die Ausbildung entsprach nicht ihren Erwartungen und Fähigkeiten. Stattdessen wollte sie studieren, ihr Leben sinnvoll gestalten.
Ein Studium der Französischen Philologie in Kombination mit der Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg sollte es sein. Die Entscheidung für Französisch fiel ihr leicht: Sie folgte ihrer Neigung. VWL war dabei eher der Kompromiss, nicht BWL zu studieren, weil letzteres einfach zu Praxis orientiert gewesen sei. Hingegen reizten sie die mathematischen Aspekte der VWL, denn „ich dachte, es hätte eine gewisse Relevanz, dass man etwas macht, wo man beruflich anknüpfen kann.“ Und so stand die Entscheidung fest. „Im Nachhinein“, so Wenderholm heute, „war das irgendwie eine komische Idee.“ Zumindest die Wahl für VWL. Auch wenn ihr das dort erlernte Wissen in späteren Jobs sicherlich von Nutzen gewesen sei, so würde sie sich heute keineswegs mehr für diese Fächerkombination entscheiden.
Der Französischen Philologie blieb sie als erstes Hauptfach treu, entschied sich mit 24 jedoch für einen Wechsel des Zweitfachs. „Ich finde es wichtig, dass, wenn man feststellt: ‚Ich kann mich hier wirklich persönlich verbessern und für meine berufliche Zukunft sehe ich mich in diesem Bereich und nicht in dem anderen, auch wenn ich viel Zeit hierrein investiert habe‘, sollte man den Mut haben, sich zu verändern.“ Deshalb hinterfragte sie sich und die Entscheidung für VWL. Durch ihre Leidenschaft für das Reisen  und die Begegnung mit anderen Kulturen wurde ihr klar, dass sie die kulturelle Dimension von Geschichte und die historische Ebene von Kunst begeistern. Der Fachwechsel zur Kunstgeschichte stand damit fest. Im Rückblick erzählt sie uns, dass sie ihrer Neugierde gefolgt sei und sich gemeinhin für die Optionen entschied, die ihr Spaß machten. Aufgrund dessen ging sie für ein Auslandssemester an die Universität in Neuchâtel. Die Wahl für die Schweiz sei durch ihr Französischstudium eine pragmatische gewesen. Wieder zurück in Deutschland zog nach Berlin und wechselte dort an die Freie Universität. 

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Um sich weiter zu qualifizieren und genuin kunsthistorisch zu arbeiten, sei für sie die Entscheidung zu einer Promotion nach dem Studium 2001 nur konsequent gewesen. Zudem seien die Voraussetzungen für ein Volontariat am Museum damals strenger gewesen und eine Promotion demnach zwingend. Heute habe sich das zwar geändert, dennoch empfehle Wenderholm, denen die promovieren möchten, erst eine Promotion und dann ein Volontariat zu absolvieren, „weil man sonst aus dem akademischen Zusammenhang herausgerissen wird und kaum die Motivation aufbringt, nach dem Volontariat eine Promotion zu beginnen.“

Durch ein studienbegleitendes Praktikum bei der Kulturstiftung der Länder (KSL) in Berlin erhielt sie einen Teilzeitjob als Assistentin der Generalsekretärin, wodurch sie sich während ihrer Promotionszeit finanzieren konnte. Die Relevanz von Praktika schätze sie infolge solcher Möglichkeiten extremst hoch ein:„Ich finde das sehr sinnvoll, um beurteilen zu können, in welchem Bereich man arbeiten möchte.
In den folgenden Jahren schrieb sie vormittags kunsthistorische und kulturpolitische Texte, vor allem Reden, und nachmittags ihre Dissertation zum Thema Bild und Berührung. Skulptur und Malerei auf dem Altar der italienischen Frührenaissance. „Das war wirklich spannend.“ Darüber hinaus organisierte und sortierte sie viel, lernte das administrative Arbeiten in der Verwaltung, wovon sie noch heute profitiere. Zwischen Kulturstiftung und Kunstbibliothek war jeder Tag klar strukturiert und ihre Promotion zügig geschrieben.
Nach wie vor findet sie den Bereich der Stiftungen für Kunsthistoriker*innen äußerst spannend, da er eine Schnittstelle zwischen politischem Engagement und kunsthistorischen Interesse bildet. „Es gibt ja so wahnsinnig viele Stiftungen in Deutschland. Da lohnt es sich in jedem Fall mal zu schauen.

Die Arbeit bei der KSL war ihr nichtsdestotrotz am Ende zu wenig inhaltlich geprägt, sodass sie sich nach Abgabe der Dissertation 2004 dazu entschied, ein Volontariat bei den Staatlichen Museen zu Berlin zu beginnen. Die erste Zeit absolvierte sie in der Generaldirektion, was für sie vertraut und naheliegend war, „weil ich ja auch bei der Kulturstiftung bereits in einem Verwaltungsbereich gearbeitet hatte.“ Das zweijährige Volontariat beinhaltete jeweils acht Monate in der Generaldirektion, der Gemäldegalerie und dem Bode-Museum.

Zum Ende ihres Volontariats hin wurde Wenderholm schwanger. „Das war ein ungünstiger Zeitpunkt. Als ich nach einem halben Jahr dachte, dass ich jetzt wieder einsteigen könnte, waren meine Kontakte im Museumsbereich weg.“ Im Nachhinein denkt sie, dass es einfacher gewesen wäre, hätte sie vor dem Volontariat ihr Kind bekommen. Weiterhin auf der Suche nach ihrem beruflichen Traum folgend, ging sie mit ihrem Mann und dem Kind nach Florenz. Dort arbeitete sie als Freelancerin am Kunsthistorischen Institut.

Zwei Jahre später, zurück in Deutschland, bewarb sie sich auf verschiedene Stellen. 2007 kam eine Zusage von der Goethe-Universität in Frankfurt. Als Schwangerschaftsvertretung konnte sie dort ein Jahr lang als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sonderforschungsbereich Wissenskulturen und gesellschaftlicher Wandel arbeiten. 

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Trotz der Schwangerschaftspause schaffte Wenderholm es, mittlerweile wieder Fuß zu fassen. „Ich würde immer empfehlen, sich auf seine Netzwerke zu stützen. Auch wenn man fertig mit Studium und Promotion ist. Sodass man immer im Gespräch bleibt; sowohl im wissenschaftlichen Gespräch als auch im persönlichen.“ Eigene Kontakte stets aufrechtzuerhalten, sei dabei enorm wichtig. Auf diese Weise erhielt sie 2008 die nächste Stelle, auch dieses Mal als Schwangerschaftsvertretung. An der Freien Universität in Berlin wurde sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Teilprojekt Signa et res der Forschergruppe Topik und Tradition eingestellt. Signa et res ist eine Forschergruppe, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird und sich in zahlreiche Einzelprojekte gliedert. 

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Während ihrer Zeit an der FU wurde eine Assistentenstelle bei Prof. Dr. Magdalena Bushart an der Technischen Universität in Berlin für fünf Jahre ausgeschrieben. Nach erfolgreicher Bewerbung begann Wenderholm 2009 hier zu arbeiten.
Ein Semester später wurde in Hamburg eine Juniorprofessur am Kunstgeschichtlichen Seminar frei. Sie nutzte die Chance zur Bewerbung und erhielt die Stelle, sodass sie die Assistentenstelle in Berlin frühzeitig abbrach. „Ab dem ersten Semester in Hamburg wusste ich, dass ich auf jeden Fall Professorin werden möchte.“ Sie hatte ihren Traumberuf gefunden - und bekam ihr zweites Kind. Das Charmante an der Juniorprofessor sei gewesen, dass man mit den Professor*innen von den Aufgaben her gleichgestellt sei. Selbstverständlich sei die Bezahlung entsprechend des Arbeitsumfangs niedriger. Als Professorin habe man ein volles Lehrdeputat mit neun Stunden, sprich vier Lehrveranstaltungen plus Kolloqium. Als Juniorprofessorin seien es die ersten drei Jahre zwei und erst danach drei Lehrveranstaltungen. „Was auch wirklich sinnvoll ist, weil man noch nicht auf so viel Lehrerfahrung zurückblicken kann.“ Zudem biete eine solche Professur auf Zeit die Möglichkeit, Mittel bei der DFG einzuwerben, was als Wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in nicht möglich sei. So könne man Projekte vorantreiben und eigene Ideen umsetzen, aber auch Studierende fördern.

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Im Februar 2014 folgte Wenderholms Ruf auf die Professur für Europäische Kunstgeschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Hamburg. Sieben Jahre später ist sie immer noch da und glücklich. Dabei habe sie während der beiden Schwangerschaftsvertretungen ursprünglich immer den Plan gehabt, wieder ans Museum zurück zu kehren. Doch Pläne und Wege ändern sich. „Das sieht man vielleicht auch an dem, was ich jetzt noch mache in meiner Lehre.“ Hier versuche sie durch Kooperationen zwischen Universität und Museum neue Denkräume und Formen des forschenden Lehrens zu schaffen. In den letzten drei Jahren habe sie auf diese Weise gemeinsam mit ihren Studierenden bereits drei große Ausstellungsprojekte in Göttingen und Hamburg umsetzen können. „Mir liegt sehr viel daran, mit den Objekten wissenschaftlich zu arbeiten.“ Der Kontakt zu den Studierenden in solchen Projekten gefalle ihr am meisten an ihrem Beruf.
Neben ihrer Lehrtätigkeit hat Wenderholm zahlreiche Forschungsschwerpunkte. Von Materialitätsforschung über niederländische Druckgrafiken zu Künstlerinnenforschung. „Die Frage nach der Medialität von Kunst“ verbinde dies alles. Selbstverständlich gebe es noch zahlreiche weitere Themen, die sie gerne behandeln würde. „Ich habe mal angefangen mich mit dem Bereich des Künstlerwissens zu beschäftigen - z.B. dem anatomischen Wissen. Das finde ich unglaublich spannend.“ Sie nutze den Bereich der Lehre, um solche Themen auszuprobieren. Ihr nächstes Forschungsfeld beschäftige sich beispielsweise mit der Emblematik und Wort-Bild-Synthesen im Ostseeraum. Zudem habe sie ein weiteres Forschungsprojekt zur Geschichte der Kunsthalle im Nationalsozialismus in Hamburg bei der DFG beantragt. Denn auch eine Professorin lernt nie aus und ist stets auf der Suche nach neuen Wegen.  

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Ein weiteres Herzensprojekt von Wenderholm: der Verband Deutscher Kunsthistoriker.

Hier ist sie zweite Vorsitzende und engagiert sich im Teilbereich der Denkmalpflege.

Durch den Verband werden die vier Bereiche, in denen Kunsthistoriker*innen tätig sind,

vertreten: Hochschule, Museum, Denkmalpflege, freie Berufe. 

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Mit 4.500 Mitgliedern habe der Berufs- und Interessenverband ihrer Meinung nach eine große fachliche Bedeutung. „Ich glaube, dass wir zunehmend eine wichtige Stimme in der Politik sind.“ Man agiere dabei durchaus aus hinter den Kulissen. Erst kürzlich habe sich der Verband auf diese Weise mit Briefen an die Wissenschaftsministerien der Bundesländer gewandt, um auf die problematische Situation von Nachwuchswissenschaftler*innen während der Pandemie aufmerksam zu machen. Der Verband diene als Schlüsselstelle und widme sich beständig einer Vielzahl von Aufgaben. Im Prinzip werden Ideen, Fragen uvm. der Mitglieder aufgenommen und umgesetzt.

Jungen Kunsthistoriker*innen gibt Wenderholm mit auf den Weg, sich im Studium mittels Praktika bereits frühzeitig mit beruflichen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Momentan sei die Situation zwar schwieriger, aber wenn man das Studium ernst nehme und Netzwerkpflege betreibe, stehe einer beruflichen Zukunft nichts im Wege. Denn letztlich: „geht [es] immer um Nebenwege und nicht um den einen Weg. Es geht immer darum, dass man immer wieder sucht und sich selbst in Frage stellt. Das Allerwichtigste ist, dass man nie denkt, dass man zu alt ist, um noch etwas Anderes oder Neues zu machen.

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Wir bedanken uns herzlich bei Prof. Iris Wenderholm und wünschen ihr, dass sie immerzu den Mut aufbringt, Neues zu wagen!

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- Hannah Steinmetz, veröffentlicht am 18. Juni 2021

Ein kleiner Tipp: Kunsthistoriker*innen können bereits mit Bachelorabschluss Mitglied im Verband Deutscher Kunsthistoriker werden, um so von vielen Vorteilen, wie beispielsweise freiem Eintritt in fast allen deutschen Museen, zu profitieren.

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