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Maria Zinser

Referentin des Generaldirektors, Kunstpalast Düsseldorf

Wenn Maria Zinser heute im Düsseldorfer Kunstpalast durch die Räume der aktuellen Caspar-David-Friedrich-Ausstellung läuft, kennt sie jedes Bild genau. Dass sie einmal hier, in einem Kunstmuseum, arbeiten würde, hätte sie nach ihrem Schulabschluss allerdings nicht gedacht. Damals wollte die Abiturientin Journalistin werden und hierfür Literaturwissenschaften studieren. Kunstgeschichte stand zunächst nicht auf dem Plan. Das änderte sich während ihres Freiwilligen Sozialen Jahrs in Peru: Dort sah sie in Kirchen und Museen Kunst mit Motiven, die sie so bisher noch nie gesehen hatte – etwa Christusdarstellungen mit drei Köpfen. „Ich war unglaublich fasziniert davon. Ich habe aber die Geschichten, was das darstellt und woher das kommt, nicht ganz glauben wollen und wollte dann mehr darüber wissen.“ Deshalb entschloss sie sich, neben Literaturwissenschaften auch Kunstgeschichte zu studieren.

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Ein Äquivalent zum Magisterstudium absolvierte Zinser in Schottland an der University of Glasgow. Als Schülerin habe sie alles Britische geliebt: die Literatur, die Musik, die Filme. So wollte sie unbedingt einmal eine Zeit in dem Land leben. Zudem reizte es sie, an einer dieser altehrwürdigen Campusuniversitäten zu studieren, die sich traditionell über eine große Verbundenheit der Studierenden auszeichnen. „Ich konnte mir irgendwie nicht vorstellen, in einer Uni in einem Nachkriegsbau zu studieren.“ Angst vor der Sprachbarriere hatte sie nie: „Englisch ist mir schon immer leichtgefallen.“ Allerdings fügt sie auch hinzu: „Es ist natürlich schon was anderes, seitenlange Aufsätze zu recherchieren und in einer Fremdsprache zu schreiben.“

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Das Studiensystem in Glasgow gefiel ihr gut. Durch die Studiendauer von vier Jahren konnte sie sich ein enorm breites Wissen aneignen. Zwar gab es eine strenge Kurs- und Prüfungsstruktur. In der Art des Lernens, also mit welcher Literatur man sich Wissen für anstehende Prüfungen aneignet, war es jedoch sehr frei. „Das war am Anfang schwierig für mich, da ich versucht habe, immer alles zu lesen. Aber so habe ich gelernt, mich sehr gut selbst zu organisieren, auch wenn der Druck von außen erst mal nicht gegeben war.“  

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Für ihren Master kehrte sie wieder nach Deutschland zurück und studierte an der TU Berlin Kunstwissenschaft und Kunsttechnologie – in einem 60er-Jahre-Nachkriegsbau von Bernhard Hermkes und Hans Scharoun. Wieso der Wechsel? „Ich habe im Studium in Großbritannien immer wieder auch deutsche Fachliteratur gelesen und mir ist klar geworden, dass die deutsche Kunstgeschichte traditionell sehr wichtig und angesehen ist.“ Außerdem wollte sie zum Vergleich das deutsche Studiensystem noch einmal ausprobieren. Im Rückblick würde sie die schottische Variante präferieren. Das Universitätsleben empfand sie als persönlicher: Die Lerngruppen waren klein, die Professor*innen kannten einen sehr gut und als Studierende lernte und lebte man an denselben Orten. In der riesigen Stadt Berlin sei man seinen Kommiliton*innen nur selten über den Weg gelaufen.

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Bereits während des Bachelorstudiums begann Zinser, berufliche Erfahrung zu sammeln. Zunächst gab sie als Fremdenführerin (kunst-)historische Führungen durch die Glasgower Universität. So lernte sie, frei in verschiedenen Sprachen zu sprechen und auf Leute zuzugehen. Dann ergab sich für sie die Möglichkeit zu einem studienbegleitenden Archivpraktikum in den Glasgow Museums. Nach dessen Ende erhielt sie den Kontakt aufrecht. Als dort eine neue Kuratorin für europäische Kunst eingestellt wurde, bewarb sie sich bei dieser als studentische Hilfskraft. Neben Datenbank- und Katalogisierungsaufgaben war sie hier das erste Mal bei der Erarbeitung einer kleinen Kabinettausstellung beteiligt. „Da habe ich die Basics gelernt: diese Freude an der Detektivarbeit, zusammen mit der Kuratorin ins Depot zu gehen, den Werken so nahe zu kommen, dass man ein Bild wirklich mal in die Hand nimmt, sich ganz genau anguckt und ins Archiv geht.“ So entdeckte sie ihre Begeisterung für die Ausstellungsarbeit.

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In dem Sommer nach ihrem dritten Studienjahr in Glasgow machte sie ein Praktikum in der Marketing-Abteilung des Städel Museums in Frankfurt und bewarb sich anschließend für die Zeit nach ihrem Studienabschluss für ein weiteres Praktikum am Haus; nun in der Abteilung Kunst der Moderne. Hier war sie in die Vorbereitungen der Ausstellung Monet und die Geburt des Impressionismus (2015) involviert.

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Durch diese zahlreiche positive Museumserfahrung war sie sich eigentlich sicher: Nach dem Studium würde sie gerne an eine Ausstellungsinstitution. Zuvor wollte sie allerdings noch einmal die andere Seite – den Kunsthandel, genauer gesagt das Auktionshaus – kennenlernen, „um dadurch quasi für mich auszuschließen, dass es das nicht für mich ist.“ Auf Empfehlung ihres damaligen Chefs am Städel, Felix Krämer, bewarb sie sich bei dem Berliner Auktionshaus Grisebach. Bis dahin seien Praktikant*innen dort eher unüblich gewesen, Zinser konnte jedoch ihren späteren Chef, Florian Illies, von ihrem ehrlichen Interesse überzeugen. Da man in der kleinen Abteilung des 19. Jahrhunderts, in der sie tätig war, gewohnt war, alles selbst zu machen, gab es keine typischen Praktikant*innenaufgaben.

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„Insofern hatte ich das Glück, dass ich kein einziges Mal kopiert habe, sondern, dass mein Chef sich am Anfang mit mir hingesetzt hat und entschied, dass er beschließt, mir zu vertrauen, und, dass ich einfach überall mitgehen und mir alles angucken kann. Ich durfte dann – aus meiner Sicht – die besten Aufgaben übernehmen: Ich durfte recherchieren, in die Bibliotheken fahren, dabei sein, wenn die Experten Gemälde begutachtet haben, Preise festgelegt wurden, ich habe Katalogtexte geschrieben, wir haben zusammen den Katalog gestaltet und so weiter. Die Zusammenarbeit hat mir viel Spaß gemacht und ich stellte fest, dass das vielleicht doch was für mich wäre.“

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Im Nachhinein fasst sie zusammen: „Ich habe eigentlich so den gesamten Zyklus der Vorbereitung mitgemacht.“ Bei der Auktionsvorbesichtigung durfte sie helfen, die Kund*innen zu beraten und während der Auktion sogar am Telefon mitbieten. „Das war wirklich aufregend, da kriegt man dann Herzrasen.“

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Am Ende des dreimonatigen Praktikums war ihr Chef überzeugt, sie könne nun noch nicht gehen. Da Zinser für ihr anstehendes Masterstudium in Berlin blieb, vereinbarten beide, dass sie als freie Mitarbeiterin zu Hochzeiten, wie etwa während der Katalogproduktion oder Vorbesichtigungen, zurückkommen würde. Daneben arbeitete sie als studentische Hilfskraft für kurze Zeit am Lehrstuhl von Bénédicte Savoy für das Forum Kunst und Markt (Fokum). Nach nur drei Semestern verließ sie Berlin bereits wieder Richtung London. Dort hatte sie einen Praktikumsplatz bei dem Auktionshaus Sotheby’s bekommen. Zu diesem Zeitpunkt fehlte für ihr Studium nur noch die Masterarbeit, welche sie dann in England recherchierte und schrieb.

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Wie die Masterstudentin zu einem der zwei international marktführenden Auktionshäuser kam? Seit der Schulzeit hatte sie davon geträumt, einmal in London zu leben, und nach ihrer Erfahrung bei Grisebach erschien ihr Sotheby’s wie das nächste Level. Die dortige Breite an künstlerischen Positionen sei um ein Vielfaches größer und internationaler. „Da gab es für mich auch noch so viele Künstlerinnen und Künstler zu entdecken.“

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Bei der Eröffnung der Monet-Ausstellung im Städel hatte sie Tessa Kostrzewa kennengelernt, Sotheby’s Senior Director in der Abteilung European Paintings. Nach einem längeren Gespräch schlug diese Zinser ein Praktikum in ihre Abteilung in London vor. Anderthalb Jahre später fing sie an. Wenige Wochen nach Beginn wurde der Job der Teamassistenz frei. „Da hat man mich ermutigt, mich zu bewerben. Ich habe dann die Stelle bekommen und bin einfach geblieben.“ Was genau ihre Aufgaben waren? „Als Teamassistentin machst du quasi alles mit.“ Sie arbeitete der Abteilung zu, organisierte viel, unterstützte Bewertungen von Kunstwerken, erstellte Zustandsberichte, schrieb Texte, half bei der Erstellung und Gestaltung von Auktionskatalogen und war Ansprechpartnerin für Externe. Wie in Berlin half sie bei der Vorbereitung und Durchführung der Auktionstage mit.

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Im Vergleich zu dem eher familiären, sympathischen Grisebach ist Sotheby’s ein weltweit agierender Konzern und neben dem Konkurrenten Christie’s das größte Auktionshaus der Welt. Das habe auch seine Vorteile. „Was ganz angenehm ist: Man sitzt in seiner Expertenabteilung und man macht da seine Expertenarbeit. Das heißt, man fokussiert sich auf seine Bilder des 19. Jahrhunderts und man hat Presse-Abteilung, Marketing usw., die alles weitere übernehmen.“  Hinzu kommt, dass „du häufiger mal die beeindruckendere Kunst auf deinem Tisch hast.“ Sie erinnert sich an Bilder von Caspar David Friedrich und Vilhelm Hammershøi. „Das ist dann natürlich so ein ‚Once in a lifetime‘- Event.“  

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Gut zwei Jahre blieb Zinser in London. Dann entschied sie sich, zu dem zurückzukehren, was sie zu Studienbeginn begeistert hatte: das Museum. „Die Arbeit im Auktionshaus hat mir schon richtig viel Spaß gemacht: Das Tempo ist schnell, man kriegt jeden Tag irgendwelche Überraschungen rein. Allerdings habe ich ein bisschen vermisst, mich mit den Sachen auch etwas intensiver beschäftigen zu können.“ Im Gegensatz zum schnelllebigen Auktionswesen sei am Museum doch mehr Zeit, sich mit Dingen auseinander zu setzen, diese erarbeiten und erzählen zu können. Deshalb entschloss sie sich zu einem Volontariat, um sich so die Option einer Laufbahn im Museum zu erhalten. Sie hatte Glück: Ihr ehemaliger Chef aus dem Städel, Felix Krämer, war mittlerweile Generaldirektor am Düsseldorfer Kunstpalast. Durch ihn erfuhr sie, dass das Museum Volontäre suchte. „Da habe ich es mir nicht zweimal überlegt, mich zu bewerben.“ Sie machte ihr Volontariat in der Generaldirektion und bekam Einblicke in die Museumsführung. Daneben lag der Fokus auf Ausstellungsprojekten. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin begleitete sie u.a. eine Ausstellung zu Kriegsfotografinnen und kuratierte eine Schau zu dem Modedesigner Pierre Cardin. „Da habe ich dann von der Pike auf gelernt, eine Ausstellung zu machen.“  Vom Konzept über das Katalogmanagement, Texte schreiben, die Ausstellungsarchitektur bis zum Hängen der Ausstellungsstücke war sie in den kompletten Prozess eingebunden.

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„Ich glaube, es hilft am Museum, wenn man vorher mal in einem sehr stark wirtschaftlich ausgerichteten Unternehmen gearbeitet hat. Es ist gut, dieses Tempo gelernt zu haben.“, antwortet sie auf unsere Frage, inwiefern sie am Museum von ihrer Erfahrung im Auktionshaus profitiert. Darüber hinaus habe sie dort die Scheu vor der Kunst verloren, die man insbesondere im Studium oft hegt. „Die Werke liegen dann eben wirklich auf dem eigenen Schreibtisch.“ So schulte sie ihr Auge intensiv und lernte Qualitätsabstufungen und entsprechende Bepreisungen. „Man hat im Auktionshaus eben auch richtig schlechte Kunst gesehen. Werke, die eingeliefert werden, die einfach gar nichts wert sind – sogenannte Gebrauchskunst.“ Im Museum habe man hingegen überwiegend gute Qualität. Auch an der Universität gehe es nur selten um Werte. Dieses Gefühl für Qualität und Werte helfe ihr im Museum etwa bei Ankäufen oder der Werkauswahl für Ausstellungen.

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Mittlerweile ist ihr Volontariat vorbei. Derzeit arbeitet sie als Referentin des Generaldirektors am Kunstpalast. Neben ihrer Mitarbeit an der momentanen Caspar-David-Friedrich-Ausstellung sind ihre Aufgaben die inhaltliche Unterstützung, Begleitung und Vertretung des Generaldirektors. Zu diesem vielfältigen Aufgabenfeld gehören Ausstellungsplanung, Koordinierung von Pressearbeit, Begleitung von Marketingkampagnen, Freigabe von Ausstellungstexten, Betreuung von Ankäufen sowie der Austausch mit dem Kulturdezernat.

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In Zukunft würde Zinser gerne weiterhin Ausstellungen zur Kunst des 19. und frühen 20. Jahrhundert machen dürfen. Insbesondere skandinavische Künstler*innen faszinieren sie sehr. Wo sie das machen möchte, hält sie sich offen: „Ob das dann an einem großen Ausstellungshaus wie dem Kunstpalast, einem kleineren Haus oder auch in einer Galerie oder einem Auktionshaus ist, das kann ich mir im Moment eigentlich noch alles vorstellen – weil ich wirklich glücklich bin, wenn ich mich mit dieser Kunst beschäftigen kann.“ Auch eine Rückkehr nach Großbritannien schließt sie nicht aus.

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Wir danken Maria Zinser für das wunderbare Gespräch und wünschen ihr viel Glück und Erfolg für ihren weiteren Weg!

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 Valentina Bay, veröffentlicht am 19. Dezember 2020

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