

Jun.-Prof. Dr. Julia Trinkert
Juniorprofessorin
Seit November 2019 ist Jun.-Prof. Dr. Julia Trinkert Juniorprofessorin am Institut für Kunstgeschichte für den Bereich "Kunst des Mittelalters" an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Wir hatten die Gelegenheit, ein Interview mit ihr zu führen und ihr viele Fragen über ihren Studienverlauf, ihre Promotion und aktuelle Tätigkeit als Juniorprofessorin zu stellen.

Bereits im Kunst-Leistungskurs entdeckte Trinkert ihre Begeisterung für die theoretische Auseinandersetzung mit der Kunst und traf den Entschluss, Kunstgeschichte zu studieren. Ihrem Interesse folgend, setzte sie diesen Plan um und studierte von 2003 bis 2008 in Kiel, Oslo und Kristiansand (Norwegen) die Fächer Kunstgeschichte, Nordische Philologie und Literaturwissenschaft, Kunstkonservierung und Museumsverwaltung, Öffentliches Recht, Europäische Ethnologie/Volkskunde. Noch während der Erstsemesterbegrüßung in Kiel, im Zuge der Vorstellung der Austauschuniversitäten, beschloss sie, in Norwegen zu studieren. Schließlich habe man als Rheinländer so keinerlei Bezug zu Skandinavien, was sie neugierig machte. Für dieses Vorhaben lernte sie ein Jahr Norwegisch, um in Oslo Kunstkonservierung und Museumsverwaltung zu studieren. In ihrer Magisterarbeit Das Marienkrönungsretabel in der Kirche zu Källunge (Gotland) untersuchte sie in Schweden das Marienkrönungsretabel auf seinen Entstehungszusammenhang. Bis dahin konnte die Herkunft lediglich auf Norddeutschland begrenzt werden. Ihre Vorliebe für nordische Länder zeigt sich auch hier. Der ursprüngliche Plan, nach Ende ihres Magisters in Kiel nach Oslo zurückzukehren und dort Kunstkonservierung und Museumsverwaltung im Master zu studieren, scheiterte: Nach erfolgreicher Einschreibung und Wohnungssuche in Oslo kam kurzfristig die Mitteilung, dass aufgrund geänderter Studienordnungen nun zuerst ein Bachelorstudiengang absolviert werden müsse, bevor der Master angeschlossen werden könne. Trinkert änderte ihren Plan und begann, angeregt durch ihren Doktorvater und der großen Freude beim Verfassen ihrer Magisterarbeit, 2009 ihre Promotion in Kiel.
Während Ihrer Recherche in Norddeutschland für die Magisterarbeit bemerkte sie, dass über Flügelretabel in Mecklenburg kaum Forschungen existierten. Infolgedessen begann sie, überdas Thema Flügelretabel in Mecklenburg zwischen 1480 und 1540. Bestand, Verbreitung und Werkstattzusammenhänge zu promovieren. 2012 erhielt sie den Doktortitel. Trinkert zufolge ist Promovieren keine zwangsläufige Folge aus dem herkömmlichen Studienverlauf, bei dem ein Abschluss an den Nächsten gehängt wird. Vielmehr rät sie dazu, sich genau zu überlegen, ob und warum man selbst eine Promotion benötigt: Ist in dem angestrebten Berufsfeld eine Promotion üblich, hilfreich oder zwingende Voraussetzung? Einige Stellen und Berufe setzen diesen Titel voraus oder er ist Prämisse, um von dort aus weiterzukommen. So auch an der Universität, wenn man als wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeiten möchte. (An wenigen Universitäten gibt es sogenannte Doktorandenstellen, welche die parallele Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und der Promotion ermöglichen.) Zudem, so betont Trinkert, benötige man eine Fragestellung, die für einen von großem Interesse ist, für die man sich begeistern kann, ansonsten könne die Promotion durchaus zäh werden.
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„Ich bin davon überzeugt, dass man begeistert sein muss für das, was man macht.“
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Hinzu komme die finanzielle Lage, denn die meisten Absolventen müssten sich gänzlich neu koordinieren, um sich den Lebensunterhalt für die eigene Forschung auf zunächst unbestimmte Zeit finanzieren zu können. Trinkert wurde durch das Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert und arbeitete zusätzlich als wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität. Sie selbst empfand diese Zeit als fantastisch, da sie sich drei Jahre lang intensiv mit einer Fragestellung beschäftigen konnte, für die sie große Begeisterung hegte. Generell, sagt sie, liegt ihr das Selbststudium und die Auseinandersetzung und Forschung mit den Objekten nach ihrer eigenen Fragestellung sehr gut. Für eine Promotion müsse man vor allem Selbstorganisation und Passion mitbringen. Letztlich sei es eben dieser Enthusiasmus für das Thema, der bei Durststrecken helfe dranzubleiben.
Seit November 2019 ist Trinkert Juniorprofessorin an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Als Juniorprofessorin hat sie vorrangig die Aufgabe der Lehre und Forschung, aber auch der Selbstverwaltung. Zwischen diesen Polen bewegt sie sich und übt diese in ihrem Arbeitsalltag möglichst ausgeglichen aus. Eine Juniorprofessur ist neben der traditionellen Habilitation ein weiterer Qualifizierungsweg für eine Lebenszeitprofessur. Daher kann Trinkert bereits in eigener Verantwortung unterrichten und forschen; bei zusätzlicher Personalverantwortung – was man meist als wissenschaftlicher Mitarbeiter nun einmal nicht hat. Diese Stelle bekleidet sie für sechs Jahre, bis 2025, die zweimal evaluiert werden. In dieser Zeit muss sie bestimmte Zielvereinbarungen erfüllen. Wie bei anderen Professuren auch unterliegt die Stelle einer Juniorprofessur einem langen und aufwendigen Berufungsverfahren. Besondere Freude bereitet ihr an ihrem Beruf, dass sie selbst Fragen stellen kann, die sie möglichst zu beantworten versucht. Genau das möchte sie auch Studierenden vermitteln.
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„Studium ist nicht einfach auswendig lernen und irgendwelche Seminare absitzen, sondern man lernt wirklich das Handwerkszeug, um sich kritische Fragen zu stellen und um diese eben auch zu bearbeiten und zu beantworten. Und zwar die, die man selbst auswählt und das ist wirklich toll, weil man nicht nur Vorgegebenes bearbeitet.“
Die Arbeit an der Universität empfindet sie als unglaublich vielfältig und durch die Wahl der eigenen Schwerpunktsetzung lasse sich bestimmen, in welche Richtung es gehen kann. Mit der eigenständigen Arbeitsweise und der Möglichkeit, kritische Fragen zu stellen, fühlt sie sich sehr wohl, sodass es ihr auch große Freude bereitet, diese an die Studierenden weiterzugeben.
„Mein Anliegen ist es natürlich, alle für das Mittelalter zu begeistern […], aber eben auch wirklich diese Auseinandersetzung mit dem Objekt; was dahinter steckt anzuleiten und dafür zu begeistern, das finde ich toll.“
Vor Kurzem ist die Juniorprofessorin zum zweiten Mal Mutter geworden. Als Frau kann die Familiengründung teils negative Auswirkungen haben, für sich selbst könne sie dies allerdings nicht bestätigen. Das sei wahrscheinlich in allen Fällen unterschiedlich. Gemeinsam mit ihrem Partner hat sie sich entschieden, sich völlig gleichberechtigt um die Kinder und den Haushalt zu kümmern, was auch sehr gut funktioniere. Besonders wichtig sei ihr, dass beide Elternteile im Umfang der eigenen Zufriedenheit arbeiten sollen. Auch in ihrem persönlichen Umfeld erlebt sie es immer noch, dass viele per se davon ausgehen, dass die Frau für eine gewisse Zeit mit dem Nachwuchs zu Hause bleibt. In vielen Arbeitsumfeldern lasse sich aber mit guter Absprache zwischen den Partnern Beruf und Kinderbetreuung miteinander vereinbaren. Dabei sollte es Trinkert zufolge weniger um die reine Arbeit nach Zeitstempel gehen, sondern vielmehr um die erfolgreiche Beendigung der Aufgaben – unabhängig des Zeitpunktes. Über ihren durchaus privilegierten Standpunkt an der Universität zeigt sie sich in unserem Gespräch bewusst und betont, dass sich ihr Modell nicht für alle Stellen und unter allen Bedingungen mit Blick auf den Arbeitgeber umsetzen lasse. Aber falls es möglich ist, dann plädiert sie dafür, die Entscheidung für eine Familiengründung nicht zum beruflichen Nachteil der Mütter zu treffen.
Schon lange ist Trinkert das E-Learning an Universitäten ein großes Anliegen, wodurch sie sich von vielen anderen Dozierenden in der Kunstgeschichte absetzt. Dennoch versteht sie eine Skepsis sehr gut, die vor allem auf dem enormen Arbeitsaufwand, der zur Vorbereitung digitaler Lerneinheiten erforderlich sei, gründe. Dennoch lassen sich ihr zufolge bestimmte Inhalte hervorragend auch online unterrichten. So existiere dank der Förderung ihres digi-Fellowships vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft und des Stifterverbandes mittlerweile ein riesiger Fundus für die Methoden- und Formenlehre-Kurse für die ersten Semester des Bachelorstudiums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie sei mittlerweile auch mehr Verständnis der Universität für die Relevanz digitaler Lerneinheiten seitens ihrer Kollegen zu spüren. Denn im E-Learning gehe es nicht darum Präsenzveranstaltungen durch Onlinekurse zu ersetzen, sondern, vielmehr punktuell zu schauen, was sich zeit- und ortsunabhängig unterrichten und erlernen lässt. Zukünftig wünscht sie sich, hochschulpolitische Weitsicht und finanzielle Unterstützung für die nachhaltige Bereitstellung und Aktualisierung der digitalen Lerninhalte.
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Tipps von Jun.-Prof. Dr. Julia Trinkert für Euch:
Ein absolutes Muss für alle Kunstinteressierten in NRW ist …
Das Museum Schnütgen in Köln, der Domschatz in Essen und das Landesmuseum in Münster: Immer eine Reise wert - besonders, wenn es gerade sehr heiß draußen ist. Was jede/jeder machen könne, ist, sich die Dorfkirchen in der Heimatregion anzuschauen. Da verstecken sich viele Schätze, die kaum entdeckt seien und zu denen es bisher noch kaum Forschung gäbe.
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Womit sollten sich die Studierenden der Kunstgeschichte mal auseinandergesetzt haben?
Mit dem Ziel des eigenen Studiums. Das mache man wahrscheinlich viel zu wenig. Wieso studiert man Kunstgeschichte und was will man damit werden? Das sei einfach wichtig für die eigene Motivation und das Vorankommen.
Das hätte ich gerne früher im Studium gewusst …
... beziehungsweise aus aktuellen Beobachtungen in der Lehre:
Es sei wichtig, sich wirklich mit den Objekten auseinanderzusetzen und auch einfach mal hinzufahren, um sich die Objekte im Original anzuschauen. Außerdem mutig zu sein, sich Fragen zu stellen und nicht Mainstream-Themen hinterherzulaufen. Oftmals seien bestimmte Themen zu einer bestimmten Zeit besonders en vogue. Für die eigene Karriereplanung sei es sicherlich hilfreicher auch andere Themen weiterzuverfolgen und sich zu spezialisieren.
An einem perfekten Sonntag würde Trinkert übrigens mit ihrer Familie und Freunden in die Natur gehen, um dort wandern, spazieren oder picknicken zu gehen. Wir wünschen ihr weiterhin viele solcher Sonntage und bedanken uns ganz herzlich für das Interview.
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Falls Ihr nun Fragen oder Anregungen habt, schreibt es uns gerne und bleibt gespannt, was wir über unsere kommenden Interviewpartner*innen alles erfahren werden.
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- Annika Kurzhals, veröffentlicht am 14. September 2020