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Michael Beck

Galerist

Entspannt zurückgelehnt sitzt Michael Beck an einem großen Holztisch in seinem Arbeitszimmer über den Ausstellungsräumen seiner Düsseldorfer Galerie Beck & Eggeling. Auf dem Tisch eine 2000 Jahre alte Vase aus der Han-Dynastie, an den Wänden Bücherregale mit Publikationen aus seinem Verlag und zahlreiche Kunstwerke. Kurz nach einem Kundentermin und vor Galerieöffnung findet er Zeit für ein Gespräch über seinen Werdegang, die eigene Selbstständigkeit und den Kunstmarkt.

1963 in Tegernsee geboren, wuchs er mit der Kunst auf. Sein Vater Herbert Beck war Künstler, seine Eltern sammelten Kunst und so gingen Künstler*innen bei ihnen zu Hause ein und aus. Nach dem Abitur stand ihm die Welt offen. Er hätte alles machen können. Doch ihm war schon damals klar, dass neben Schauspielerei und Mode, der Kunstbereich sein Interesse geweckt hatte.

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Als er zur Wehrpflicht eingezogen wurde, bestand er die Musterung nur mit einer 3,0. Sein Traum zu den Gebirgsjägern zu kommen, war dadurch passé. „Da war ich eingeschnappt und wollte gar nicht mehr dahin.“ Dank familiärer Kontakte erhielt er ein Angebot der Dortmunder Galerie Utermann. Sie boten ihm einen Ausbildungsplatz zum Kunsthändler an. Er ließ sich von seiner Wehrpflicht zurückstellen und ging nach Westfalen. Die Vorstellung, konkrete Ideen umzusetzen und mit anzupacken, motivierte ihn. Da es eine offizielle Ausbildung zum Kunsthändler damals in dieser Form nicht gab, konnte er nicht wie gewöhnlich zur Berufsschule gehen. Am naheliegendsten war ein Wochenkurs mit einer abschließenden Prüfung zum Buchhändler, wodurch er 1986 seine Ausbildung erfolgreich beenden konnte. Dass er sich nach seiner Ausbildung weiterbilden und weitere Galerien kennenlernen wollte, stand für ihn schnell fest. Sein Ziel: New York. „Aber das hat nicht geklappt. Da habe ich keinen Job bekommen. Ich bin da rumgelaufen von Galerie zu Galerie [...] und mich wollte keiner haben.“

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So kam es, dass Beck 1986 durch das Netzwerk seines Chefs Wilfried Utermann in München bei dem befreundeten Galeristen Raimund Thomas als Assistent begann. Diese ersten Jahre im Galeriewesen betrachtet er heute als ungemein fruchtbar: „Man kann gar nicht groß genug schätzen, wenn man diese Möglichkeit hat, dass sich die Galeristen in die Karten schauen lassen.“ Ebendeshalb machte auch er eine Fortbildung zum Ausbilder und konnte bereits sechs Einzelhandelskaufmänner*frauen im Kunsthandel ausbilden. Leider gehen nicht viele Galerien diesen Weg und bieten solche Ausbildungsmöglichkeiten an. Dabei spielen immer die Größe und Kapazität, sowie das entsprechende Fachpersonal der Galerie eine Rolle.

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Nach zwei Jahren in München beschloss Beck weiterzuziehen. Er wollte mehr über die Kunst lernen und entschied sich zu einem Privatstudium der Kunstgeschichte am Christie’s Education, dem Institut des Auktionshauses Christie’s, in London. Dieses Studium bot ihm einen umfangreichen und vor allem praktischen Einblick in viele Jahrhunderte der Kunstgeschichte. Im ersten Jahr wird die Kunst von der Antike bis zur Renaissance behandelt, im zweiten die Kunst von der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert. „Das Altertümliche habe ich mir gespart“, stattdessen begann er das Studium mit der Kunst der Renaissance und konnte bereits nach einem Jahr seinen externen Abschluss bei der Royal Academie absolvieren. „Das war bestimmt eines meiner schönsten Jahre dort. London ist voller Kunst und so aktiv.“ Beck schwelgt in Erinnerungen und berichtet uns von dem amüsanten Aufnahmegespräch am Institut. “Die haben mich gefragt, was ich esse, ob ich kochen kann, welchen Sport ich betreibe und warum.“ Es ging vielmehr um ihn als Mensch, als um seine kunsthistorischen Kompetenzen. Diese Lockerheit spiegle sich auch im Hinblick auf den britischen Kunstmarkt. Anders als der Deutsche sei dieser wesentlich aufgeschlossener, internationaler und zwangloser.

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1989 verließ Beck London und kehrte nach Deutschland zurück. Bereits während seiner Ausbildung dachte man bei der Galerie Utermann über die Eröffnung weitere Standorte nach. Wilfried Utermann verwirklichte schließlich seinen Traum, ging nach New York und übergab Beck die Führung des Dortmunder Standortes. Nach weiteren drei Jahren in Westfalen fasste dieser den Entschluss, zu gehen. Er wollte freier entscheiden können, das Galerieprogramm selbst gestalten - eben eine eigene Galerie führen.

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Im Zuge der Wiedervereinigung erhielt seine Familie eine Villa in Leipzig zurück, in der seine Eltern einst gelebt hatten. Hierin erkannte er seine Chance, zog nach Leipzig und machte sich dort 1994 mit der Galerie Michael Beck Leipzig selbstständig.
Wir haben ihn gefragt, wieviel Mut zu solch einem Entschluss gehört.“Ich fand mich nicht mutig. [...] Man muss überzeugt sein. Wenn man überzeugt ist, dann macht man auch seinen Weg. Dann kann man auch andere Leute davon überzeugen.“

Während seiner Anfangszeit in Dortmund lernte er Dr. Ute Eggeling kennen. Die Beiden wurden Freunde und beschlossen, zwei Jahre nach der Galeriegründung in Leipzig, sich zusammenzuschließen. Eine Galerie alleine zu führen, so berichtet Beck, funktioniere nur im kleinen Rahmen. Sobald die Galerie wachse, sei Hilfe unumgänglich. Im Leipzig der 90er Jahre spielte Kunst noch keine gewichtende Rolle. Die westlichen Sammler*innen kamen nur, um ostdeutsche Kunst zu sehen. Becks Pro- gramm westdeutscher Kunst fand keine Zustimmung. Ein Standortwechsel war die letzte Möglichkeit, um letztlich nicht illiquide zu werden. Beck & Eggeling entschieden sich für Düsseldorf. Heute steht die Galerie für ein Programm mit Werken des Impressionismus, Expressionismus, der klassischen und post-war Moderne sowie internationaler zeitgenössischer Kunst. Aktuell zeigen sie Ausstellungen in zwei Räumlichkeiten in Düsseldorf. Das sei nicht immer so gewesen.

2016 eröffneten sie eine Dependance in Wien als Reaktion auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer in Deutschland, die Einführung der Künstlersozialkasse und das neue Kulturgutschutzgesetz. Die dortige Arbeit zahlte sich leider nicht aus. Nach drei Jahren schlossen sie die Galerie wieder. Darüber hinaus erfüllte auch Beck sich seinen Traum von Dependancen in New York, dem Zentrum der Kunstwelt. Sie eröffneten drei Galerien. Die Zeit war anstrengend: Wenn hier in Europa Feierabend war, begann auf der anderen Seite des Atlantiks der Arbeitstag. Er schwebte zwischen beiden Welten. Letztlich war eine Schließung der Zweigstellen sinnvoll, um die Düsseldorfer Dependance auszubauen und zu stärken. Ob er sich eine Vergrößerung noch einmal vorstellen könne?„Ich weiß ja jetzt schon nicht mehr, was hier alles passiert“, bemerkt er lachend. Dass sie jetzt nur noch zwei Räume zu bespielen haben und in einer Stadt vertreten sind, bedeutet eben keineswegs Langeweile. Künstler*innen und Kund*innen müssen betreut, Ausstellungskonzepte erstellt und Kunst vermittelt werden. Auch die Gründung des eigenen Kunstbuchverlages 1994 zeigt, dass er sich stets Herausforderungen sucht. „Es wird wahnsinnig viel Papier produziert, wie diese Auktionskataloge, die direkt nach der Auktion in den Müll gehen.“ Beck und Eggeling wollten über den reinen Verkaufszweck hinausgehende Bücher drucken, die einen höheren kunsthistorischen Anspruch haben. Die Publikationen begleiten inzwischen das Galerieprogramm. Mit bereits 160 entstandenen Büchern, ist das Regal gefüllt. Beck präsentiert uns stolz seine Lieblingsexemplare. Er scheint zufrieden, die viele Arbeit erfüllt ihn.

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Daher wundert es auch nicht, als er dieses Jahr das Angebot zum Vorsitzenden der Olaf Gulbransson Gesellschaft Tegernsee annahm. Beck hatte dort vor zwei Jahren bereits eine Ausstellung mit Werken seines Vaters und Emil Nolde kuratiert. Die Stiftung war begeistert, die Ausstellung wurde ein voller Erfolg. Natürlich hat er auch schon Pläne für seine nächste Ausstellung im kommenden Jahr. Er verriet uns:„Ich habe mir gedacht: Jetzt machst du erstmal so die Blockbuster, da kannst du nichts falsch machen. Ich muss ja auch erst einmal die Leute da hinter mich bekommen, bevor ich dann auch attraktivere, forderndere Ausstellungen mache, die ein bisschen komplizierter sind.“ Dieses Vorgehen spiegelt sich auch in seiner Galeriearbeit wider. Nicht nur die großen, bekannten Künstler*innen werden vertreten, sondern eben die, die ihm gefallen. „Ich freue mich, gute Kunst zu verkaufen. [...] Ich mag keine schlechte Kunst verkaufen.“ Dass seine Liebe zur Kunst und seine Leidenschaft ihm helfen, alles richtig zu machen, das zeigt sein Erfolg. „Das Liebste ist mir über Kunst zu sprechen und die weiter zu vermitteln. Und klar zu machen, wie uns die Kunst hilft, die Welt besser zu verstehen.“ Diese Begeisterung verhalf ihm auch, als er auf einer Kunstmesse in Montecarlo das Ehepaar Braglia kennenlernte. Sie wurden begeisterte Sammler expressionistischer Kunst und von Becks Arbeit überzeugt. Seit 2016 ist Beck für ihre Fondazione Gabriele und Anna Braglia in Lugano tätig und kann auf eine jahrelange Freundschaft zurückblicken. Durch solch ein Vertrauen haben sich aus Freundschaften über die Jahren hinweg seine stärksten Kund*innen entwickelt. Dabei ginge es ihm nie um den Verkauf eines Werkes, dieser sei vielmehr das Nebenprodukt, welches ihm ermögliche, das zu machen, was er liebe: mit Kunst umgehen. Selbstbewusst und sich seiner Fähigkeiten durchaus bewusst, fügt Beck hinzu: „Ich hab im Leben noch nie ein Werk verkauft. Bei mir wird nur Kunst gekauft.“ Sein Erfolgsrezept dabei? „Überzeugt zu sein, von dem was man macht, das ist das Wichtigste.“ Dass er durchaus auch Glück hatte, ist er sich stets bewusst. „In meinem Leben sind viele, viele Glücksumstände, die passieren. Timing ist wichtig, aber das kannst du nicht steuern. Du kannst nur fleißig sein und möglichst an vielen Orten gleichzeitig sein. Dann hast du eine größere Chance, die richtigen Leute zu treffen.“

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Am Ende des Tages fügen sich alle seine Tätigkeiten zwar zusammen, es sei aber dennoch viel Arbeit. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestalte sich dabei als Herausforderung. Der Beruf höre eben niemals auf, selbst nach der Arbeit drehe sich immer alles um die Welt der Kunst. Weil Papa auch spät Abends immer noch telefonierte, wollten Becks Kinder nie seinen Beruf haben. Inzwischen sind dennoch beide Söhne im Kunstmarkt tätig, erzählt er uns stolz.

Er war immer viel unterwegs. “Wir haben sieben Messen international gemacht. Wir haben ungefähr 15 Ausstellungen im Jahr konzipiert und durchgeführt. Das war ein Horror.“ Erst die Corona-Pandemie entschleunigte ihn und das Galeriewesen. An Messen will er selbstverständlich auch danach weiterhin teilnehmen, aber nicht mehr so zahlreich. Die aktuelle Situation ermögliche so gesehen einen Neustart. „Dieses ganze Umfeld, dieses ganze Blinky Blinky, das sich in der Kunstwelt sehr stark ausgebreitet hat, ist weggefallen.“ Im Moment arbeite er nur noch mit den Leuten zusammen, die sich wirklich für die Kunst interessieren. Er genieße diese Zeit, sehe aber auch die Herausforderung. Die Galerie müsse weiter laufen, die Mitarbeiter*innen wollen bezahlt werden. Einige sind derzeit in Kurzarbeit, das Telefon bleibt länger still, die Galerie eröffnet später. Doch auch wenn das Galeriewesen immer ein Auf und Ab sei und es keine Kontinuität gebe, so habe er seine beruflichen Entscheidungen bis heute nie bereut.

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Wir haben Beck abschließend gefragt, was er Studierenden empfehlen würde, die sich für eine Karriere im Galeriewesen interessieren. „Die wenigstens Galeristen haben ein kunstgeschichtliches Studium und viele die das haben, stehen sich als Händler eher im Wege, weil die Beurteilung von der Kunst oft zu differenziert kunstwissenschaftlich ausfällt.“ Allgemein rät er zu Praktika in verschiedenen Galerien. Ob denn eine Promotion dienlich sei? „Das hilft schon, um systematisch zu arbeiten. [...] Also die Kataloge, die Bücher die wir rausbringen [...] da ist es toll, wenn man jemanden hat, der wissenschaftlich arbeiten kann“. Für ihn kam sie aber nie in Frage. Denn am Ende ist es „„als Galerist [...] nicht so wichtig, das absolute kunstwissenschaftliche Wissen zu haben, sondern mehr das Verständnis für die Kunst.“

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Und mit diesem Wissen bedanken wir uns herzlich bei Michael Beck für seine Zeit. Wir wünschen ihm alles Gute und in Zukunft mehr freie Wochenende, an denen er Zeit für seine zweite Leidenschaft, das Segeln, findet.

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- Hannah Steinmetz, veröffentlicht am 15.  Januar 2021

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