

Antonia Josten
Personalberaterin, Antonia Josten Fine Art Recruitment
​„Die Kunstwelt funktioniert immer über persönliche Kontakte und Beziehungen.“ Diese im Kunstgeschichtsstudium häufig verschwiegene Tatsache, hat Antonia Josten 2009 zu ihrem Beruf gemacht und in Berlin ihre eigene Personalberatung für die Kunstbranche gegründet. Ihr ursprünglicher Plan war das nicht, vielmehr hat es sich durch viele glückliche und unglückliche Umstände dahingehend entwickelt.
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Kunstgeschichte, „das war nicht unbedingt meine erste Wahl“, erzählt uns Josten, als wir sie fragen, wie sie dazu kam, ein Studium am renommierten Courtauld Institute of Art, dem kunsthistorischen Institut der University of London, zu beginnen. Ursprünglich hatte sie zunächst ein Architekturstudium an der Architectural Association School of Architecture in der englischen Hauptstadt begonnen, wo sie durch Empfehlung von Bekannten gelandet war.

© Vlada Labzeyeva
Als sie per Zufall auf das Courtauld Institute of Art stieß, beschloss Josten, die sich schon immer sehr für Kunst interessierte und viel in Ausstellungen ging, ihr Architekturstudium abzubrechen und schrieb sich dort für ein Kunstgeschichtsstudium ein. Es gefiel ihr so gut, dass sie an dem Institut sowohl ihren Bachelor als auch Master in Kunstgeschichte machte.
Zu Beginn ihres Studiums wusste Josten nicht wirklich, was sie später damit einmal machen wolle, und so schnupperte sie mittels Praktika in die verschiedensten Bereiche der Kunstwelt hinein. „Ich habe extrem viel in allen möglichen Bereichen Erfahrung gesammelt – in diversen Museen, also Pinakothek der Moderne in München oder im Hamburger Bahnhof in Berlin, auch bei Sotheby’s.“ Nach diesen ersten Berufserfahrungen fasste sie dann für sich den Beruf der Kuratorin ins Auge.
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Doch ihr erster Job nach dem Studium führte sie woanders hin. Über eine Empfehlung kam sie zu der Galerie Bernheimer Fine Old Masters / Colnaghi in München. „Da habe ich ganz klassisch als Galeriemitarbeiterin angefangen.“ Später wechselte sie in die Londoner Dependance. Eigentlich hatte sie diese Stelle erst gar nicht so sehr interessiert, denn die Galerie ist auf Altmeister-Kunst spezialisiert und Jostens Interesse galt eigentlich der jüngeren zeitgenössischen Kunst. Nichtsdestotrotz sei der Job im Nachhinein eine gute Erfahrung gewesen. „Das hat mir total viel gebracht, zu verstehen, wie alles funktioniert.“ Ihre Arbeit, die viel Projektmanagement umfasste, sei extrem vielfältig gewesen. Die Begleitung und das Reisen zu diversen Messen, wie etwa der TEFAF in Maastricht, hätten zu ihrem Alltag gehört. Dort erhielt sie Einblicke in die Arbeit, die vor, nach und im Hintergrund solcher Veranstaltungen passiere. Dazu gehörte auch: „Kaum war die Messe vorbei, umziehen und ab in eine alte Jeans, die Bilder abhängen.“
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Nach ein paar Jahren wechselte sie in die Galerie Bruno Bischofsberger. Die Zürcher Galerie wollte damals eine Dependance in London eröffnen. Josten reizte diese Stelle. Sie lebte zu diesem Zeitpunkt noch in London und mit der Stelle bei Bischofsberger hätte sie ihre Zeit in der britischen Kunstmetropole verlängern können. Leider kam der Standort in London nie zustande. Stattdessen landete Josten in Zürich. Richtig zufrieden mit ihrer dortigen Stelle in der Galerie war sie allerdings nicht. „Ich war in einer Warteposition.“
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Schließlich entschied sie sich, die Galerie zu verlassen, zog nach Berlin und arbeitete hier in der Galerie Arndt & Partner als Sales Director. Das war 2008 – das Jahr der Weltfinanzkrise. Auch auf den Kunstmarkt hatte die damalige Krise starke Auswirkungen. Für Josten bedeutete sie den Jobverlust. Sie war als eine der letzten zu der zeitgenössischen Galerie dazu gestoßen, „[…] die sehr groß war und dann auf einen Schlag, wie so viele, alle möglichen Leute entlassen musste.“ Entsprechend dem Prinzip ‚Last in – First out‘ war sie eine der Ersten, die gehen musste.
Zwar fand sie glücklicherweise bald einen neuen Galeriejob, doch war ihr Interesse an einem erneuten Job im Galeriewesen mittlerweile nicht mehr so groß. Bei einem Abendessen mit Freunden entstand dann zufällig die Idee: eine eigene Personalberatung für die Kunstbranche, genauer gesagt den Kunstmarkt. Das Vorhaben, welches Josten 2009 mit Langen Josten, Fine Art World Recruitment umsetzte, war zumindest im angelsächsischen Raum nichts Neues. Seit langem gab es bspw. die Agentur Sophie Macpherson Ltd in London, welche Josten selbst als Kandidatin kennengelernt hatte. Doch Josten und ihre spätere Partnerin dachten sich: „Ach, da gibt es einen so hohen Bedarf, warum nicht das gründen.“ Ihre Vermutung bestätigte sich schnell, „weil gute Leute immer gesucht werden.“
Die Einstiegsbarrieren seien relativ gering gewesen, da man keine großen Investitionen tätigen müsse. Es gehe vor allem um das Netzwerk, die Kontakte, die Beziehungen und die Vermittlung. All das hatte sie über die Jahre in den verschiedenen Galerien gesammelt. „Es war natürlich hilfreich, dass ich schon ein paar Stationen gemacht hatte – sowohl in meinem Studium als auch danach.“ Auch der gute Ruf ihres Studienortes kam ihr erneut zugute: „Bei der Gründung des Unternehmens hat es sehr geholfen, bei meinen Kund*innen ernst genommen zu werden.“ Ganz nach dem Motto „Sie weiß, wovon sie redet.“ So kam es dazu, dass die Galerie Bruno Bischofsberger ihr erster Kunde wurde. Nachdem die Dependance in London nicht geklappt habe, wollte man nun in St. Moritz eine Galerie eröffnen. Am Ende habe Josten sogar einen ehemaligen Kollegen an die Stelle vermitteln können.
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„Das klingt jetzt leichter, als es ist. Es ist sehr kompliziert, Personal zu vermitteln.“ Die Kontakte, die hierfür notwendig seien, baut sie stetig aus. Alles gehe über persönliche Beziehungen – das Netzwerk ist sprichwörtlich Jostens Kapital. Wie sie daran arbeite? „Das Gute ist ja, dass sich die Kunstwelt immer sehr zentral in diesen Dreh- und Angelpunkten abspielt; vor allem der Kunstmarkt, in dem wir tätig sind.“ Für Jostens Arbeitsalltag bedeutete dies, dass sie, zumindest vor Beginn der Corona-Pandemie, ständig unterwegs war: „Die letzten 10 Jahre war ich wirklich so gut wie nie in Berlin.“ Auf den Messen in London, Paris und Maastricht treffe sie stets neue und alte Bekanntschaften, baue Verbindungen auf und vertiefe diese.
Neben dem Reisen bestehe ihr Alltag aus sehr, sehr vielen Interviews. „Ich bin extremst viel am Telefon aktuell oder irgendwelchen Zoom-Calls und jongliere zwischen Kund*innen und Kandidat*innen.“ Im Grunde ist Jostens Aufgabe, die Kommunikationswege zwischen beiden Parteien zu verknüpfen. Unterstützung erhält sie durch ihr kleines Team, das für sie das Officemanagement übernehme. Dazu gehört beispielsweise die Kommunikation mit Kund*innen und Kandidat*innen, die Interviewkoordination und das Formatieren von Lebensläufen für die Präsentation bei den Kund*innen.
Ihr Kund*innenstamm umfasst vor allem Unternehmen aus dem Kunstmarkt, was sich durch Jostens Erfahrung und Expertise auf diesem Feld ergeben habe. Für den Museumsbereich vermittle sie hingegen eher selten. Die
Kandidat*innen, die Jostens Personalberatung dann für die Unternehmen vorschlage, stammen, wie auch ihre Kund*innen aus dem eigenen Netzwerk. „Wir arbeiten mittlerweile auch schon stark mit LinkedIn. Das ist wirklich ein extrem gutes Tool.“ Vor allem bei Vermittlung in Übersee, etwa, wenn man einen Marketing Director in Hongkong suche, müsse man das über externe Kanäle und intensive Recherchen angehen. Nichtsdestotrotz laufe das meiste weiterhin über Empfehlungen, persönliche Kontakte, das Netzwerk und ihre umfangreiche Datenbank, die sich die Beratung durch ihre Arbeit aufgebaut habe. Umso länger das Unternehmen bestehe, sagt Josten, desto schneller ginge die Vermittlung, da man auf bestehende Kontakte zurückgreifen könne.
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Ihre Arbeit entspreche dabei keinem typischen Personal Recruitment, sondern viel mehr der Executive Search, also einer spezifischen Direktsuche. Denn man vermittle vor allem für Senior-Stellen und hier befänden sich die interessanten Kandidat*innen in der Regel in einem Angestelltenverhältnis. Fundierte Kenntnisse über die Kunstbranche und ihr Funktionieren seien hierfür unerlässlich, weshalb eigentlich das ganze Team aus der Kunstbranche und nicht aus der Personalberatung komme. Schließlich müsse man die Namen und Institutionen der zu bedienenden Branche kennen, um wirkliche Empfehlungen auszusprechen. Mit einer normalen Personalberatung, wie sie in großen Recruitment-Firmen für andere Wirtschaftszweige praktiziert werde, sei das, was Josten und ihr Team machen, nicht zu vergleichen. „Ich glaube, es kann niemand verstehen, was wir hier so machen, außer man ist wirklich hier in unserem Büro.“
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Die Eigenheit der Kunstbranche sei es auch, was ihren Stellenmarkt so schwierig gestalte. „Ich habe das Gefühl, dass der Zugang in die Kunstwelt immer noch so geschlossen scheint, dass man denkt, man kann da nicht anknüpfen.“ Es gebe nach wie vor kaum Transparenz im Bereich dieses Stellenmarktes. Vor allem für Absolvent*innen stelle sich der Einstieg meist als sehr schwierig heraus und je höher spätere Stellen seien, desto undurchsichtiger werde es. Josten beobachte in ihrem Job immer wieder, dass Arbeitsuchende und Arbeitgeber*innen nicht richtig „matchen“ würden. Vermutlich könne sich dies ändern, wenn Unternehmen offener auftreten und sich ein Stück weit von der eigenen Aura befreien würden.
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Bis dahin könnten Personalberatungen sicher einen großen Beitrag leisten. Der Kunstmarkt hänge in dieser Entwicklung hinterher. Aber Josten beobachte die wachsende Erkenntnis, dass es sich lohne, in das Rekrutieren von Personal zu investieren. Dass diese Aufgabe durch Plattformen wie LinkedIn entfalle? Das sieht sie nicht kommen. „Am Ende geht es ja um Menschen und Personen und die Kultur.“
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Natürlich ändere sich immer wieder einmal der Fokus. Der Personalbedarf in der Kunstwelt hänge auch immer sehr mit der aktuellen Weltwirtschaftslage zusammen. Gegenwärtig und auch in näherer Zukunft sieht sie insbesondere im Bereich der Digitalisierung, der PR und des Marketings großen Personalbedarf. Regional betrachtet, verschiebe sich der Bedarf gerade in Richtung Mittlerer Osten und Paris.
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Für die Zukunft hoffe Josten, ihre Expertise noch weiter auszubauen und eventuell eine Art „Mini-me“ an ihrer Seite zu haben, der*die mit dem Unternehmen wachsen könnte, denn aktuell sei das Unternehmen durch die auf persönlichen Kontakten aufgebaute Ausprägung extrem auf sie zentriert.
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Neben ihrer Personalberatung engagiert sich Josten ehrenamtlich bei Human Rights Watch, wo sie ihre Verbindungen in die Kunstbranche nutzt, um die Organisation in ihrer Arbeit zu unterstützen, und lehrt darüber hinaus an der Universität Zürich. Hier gibt sie Veranstaltungen für einen externen Master, der vor allem für Quereinsteiger*innen gedacht ist. Wichtig sei ihr dabei, ihren Studierenden zu vermitteln, „den Mut und auch die Initiative zu ergreifen, Kontakte selber zu knüpfen, sichtbar zu sein, weil eben über persönliche Beziehungen, ich würde fast sagen bei 90 %, der berufliche Einstieg möglich ist.“ Berufserfahrung, Vernetzen und ein persönliches Netzwerk aufbauen, dies sei essenziell. Josten wisse, dass das immer so negativ klinge, aber es sei nun einmal total wichtig. Denn die Türen zur Kunstwelt ständen immer weiter offen, als man vielleicht denke. „Alle sind interessiert, motivierte Kandidat*innen und Kunsthistoriker*innen kennenzulernen.“
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Für die akute Stellensuche gibt sie außerdem den Tipp: „Man muss echt ehrlich sein. Bloß nicht sich mehr aufbauschen und gleichzeitig natürlich nicht untern Scheffel stellen.“ Sicher sei dies immer wieder eine Gratwanderung und insbesondere in Deutschland begegne sie häufig einem grundlosen Understatement. Zusammengefasst: „Ehrlich und gleichzeitig proaktiv sein.“ Das sollte man immer beachten. Und umso früher man anfange, Berufserfahrung zu sammeln, desto besser.
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Wir danken Antonia Josten für den spannenden Einblick in ihre Arbeit und drücken ihr die Daumen, dass sie irgendwann die perfekte Nachfolge für ihr Unternehmen finden wird.
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– Valentina Bay, veröffentlicht am 3. Dezember 2021
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