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Dr. Donatella Chiancone-Schneider
Freiberufliche Rednerin und kunsthistorische Autorin 

Donatella-Chiancone-Schneider(Foto-by-Lu

Schon in der Schulzeit begeisterte sich die gebürtige Italienerin Dr. Donatella Chiancone-Schneider für die Kunstgeschichte, ihrem damaligen Lieblingsfach neben Englisch. Im letzten Schuljahr träumte sie von einem Leben als Filmregisseurin. Mit 19 stand dann der Entschluss fest: Das elterliche Zuhause in Vicenza verlassen und ein Studium der Kunst- und Filmgeschichte in Venedig beginnen. In unserem Gespräch resümiert sie zufrieden: „Das war auch eine gute Wahl.“ Während ihres Studiums geriet die Theorie für sie zunehmend in den Fokus. Damit einher ging der Wunsch, sich zukünftig als Filmkritikerin zu verwirklichen. In ihrer Freizeit schrieb sie Rezensionen, denn: „Die Vorstellung war: Ich will dafür bezahlt werden, dass ich ins Kino gehe und darüber schreibe, was mir gefallen und was mir nicht gefallen hat.“ 

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Nach Abschluss ihres Magisters in Venedig entschied sie sich, der Liebe wegen nach Deutschland zu ziehen und eine Promotion in Deutschland anzuschließen. Als Kunsthistorikerin würde sich das anbieten. Zudem könne ein deutscher Studientitel durchaus hilfreich sein und eine Integration begünstigen. Wir haben Chiancone-Schneider gefragt, was sie Studierenden rät, die über eine Promotion nachdenken: „Man sollte in sich schauen und gucken: Will ich das wirklich machen? Habe ich ein Projekt, was mir so wichtig ist, da noch ein paar Studienjahre investieren zu wollen?“ Neben der intrinsischen Motivation sei außerdem Ausdauervermögen unersetzlich. 2005 promovierte sie schließlich an der Universität Bonn über „Avantgarde und Komik – zwischen bildenden und darstellenden Künsten“. Thematisch griff sie damit zurück auf ihre Magisterarbeit, die sie in diesem Zuge übersetzen, ausweiten und vertiefen konnte. 

 

Chiancone-Schneider war bereits während ihrer Promotion an der Volkshochschule als Lehrende tätig. „Ich glaube, das lag für mich ziemlich nah. Ich habe Deutsch an einer Volkshochschule gelernt […], und das war so eine fantastische Erfahrung.“ Durch das einladende Ambiente der Volkshochschule habe sie sich, neben der Familie ihres Mannes, nach ihrer Auswanderung aufgenommen gefühlt. Dieser positive Eindruck sei es wohl gewesen, weshalb die Institution mit ihrer Bandbreite verschiedener Kurse für sie stetig präsent blieb. Nachdem sie mithilfe der Volkshochschule selber eine Sprache gelernt hatte, entschied sie sich, eigene Kurse zu geben. Als gebürtige Italienerin lag es zunächst nahe, anderen ihre Muttersprache zu vermitteln. Somit begann ihre eigene Lehrtätigkeit mit Italienischkursen an den Volkshochschulen Brühl und Köln. Mit der Zeit wuchs das Bedürfnis, sich neben der Promotion auch beruflich mit der Kunstgeschichte auseinanderzusetzen. Durch ihre bisherigen Kontakte gelang es Chiancone-Schneider, die ersten kunsthistorischen Kurse ebenfalls in Brühl und Köln anbieten zu können. 

 

Mit der Zielsetzung, eines Tages für die Ausstellungskonzeption und Publikation im Museums- oder Galeriewesen zuständig zu sein, absolvierte sie von 2004 bis 2005 ein viermonatiges Praktikum in der auf die klassische Moderne spezialisierten Galerie Gmurzynska in Köln. Der geplanten Festanstellung ging eine Probezeit voraus. Noch heute kann sie von den Erfahrungen dort profitieren, so habe sie beispielsweise das Inventarisierungssystem für die Vorbereitung umfangreicherer Projekte übernommen. Dennoch sei die Zeit für sie nicht nur von positiven Erlebnissen geprägt gewesen. 

 

„[...], was ich wirklich für mich so prägend gefunden habe, ist, diese Desillusionierung zu erleben. Also so sehr enttäuscht zu sein von einer Stelle, die man vielleicht vorher für ideal hält und zu sehen, worauf es alles ankommt. Das ist nicht nur das Inhaltliche, das bist nicht nur du mit den Kunstwerken, das ist wirklich der Arbeitsort, das sind die Aufgaben, das ist die Beziehung mit den Kollegen und den Vorgesetzten. Das ist eine Lektion fürs Leben gewesen für mich, zu sehen, worauf es alles ankommt.“

 

Das Arbeitsverhältnis sei dann nach der Probezeit und mit dem Umzug der Galerie in die Schweiz sowie der fehlenden Übereinkunft der Beschäftigungsbedingungen mit ihrem Arbeitgebenden zu Ende gegangen. Über die Stellenbörse des Verbandes deutscher Kunsthistoriker sei sie auf ein Volontariat an den Staatlichen Museen zu Berlin aufmerksam geworden. Von 2006 bis 2008 führte ihr Weg sie dann nach Berlin. Dazu hätte auch ein Stück weit Mut gehört. Diese Zeit habe ihr geholfen, beruflich zu wachsen. Denn niemand habe sich groß für ihre Einarbeitung verantwortlich gefühlt. So beruhe viel auf Eigeninitiative. In diesen zwei Jahren konnte sie für jeweils acht Monate Erfahrungen in dem Museum für Gegenwart, dem Hamburger Bahnhof, und in den zwei Bereichen der Generaldirektion, der Museumspädagogik und der Ausstellungsorganisation, sammeln. 

 

„Ich habe ein bisschen von allem gemacht. Im Hamburger Bahnhof ging es natürlich um den Ausstellungs- und Publikationsbetrieb, also die Kataloge, aber auch die Werbung. Ich habe also Ausstellungen verfolgt [...].”

 

Als besonders bereichernd habe sie es empfunden, die musealen Strukturen kennenzulernen. Zudem konnte sie in dieser Zeit Kontakte zu einigen Museumsdirektoren knüpfen, wodurch sich in der Folge Zusammenarbeiten als freie Mitarbeiterin ergeben haben. Die inhaltliche Auseinandersetzung und das Verfassen der Texte sei den Kurator*innen vorbehalten geblieben – bis auf wenige Ausnahmen, die sie ihrer Eigeninitiative und Hartnäckigkeit verdankte. Letztendlich habe sie mit den Exponaten selbst weniger zu tun gehabt, „das war sicher ein großes Manko.“ Mit Ablauf des befristeten Vertrages endete auch die Zeit an den Staatlichen Museen zu Berlin. In der Hauptstadt konnte sie beruflich nicht anknüpfen. Ihre Rückkehr fiel mit der Wirtschaftskrise 2008 zusammen. Die Auswirkungen habe sie beruflich deutlich zu spüren bekommen. Es folgten jahrelange Bewerbungen, die ins Leere liefen. Nach einem noch während der Arbeitslosigkeit geleiteten Kulturfestival zum Futurismus-Grundungsjubiläum fasste sie den Entschluss: Zurück in die Selbständigkeit, wie im Studium. 

 

Heute hält Chiancone-Schneider vorrangig Vorträge an Volkshochschulen deutschlandweit. Mit der Zeit gelang es ihr immer weitere Kooperationspartner*innen zu gewinnen. Die stetige Erweiterung ihres beruflichen Netzwerkes sei maßgeblich auf ihre hohe Reisebereitschaft zurückzuführen. Mittlerweile war sie in über fünfzig Volkshochschulen deutschlandweit und Dutzenden Kulturorganisationen europaweit. Seit der Corona-Pandemie habe sich das Ganze natürlich von Präsenzveranstaltungen ins Digitale verlagert. „Obwohl ich feststelle, dass sich das immer noch richtig bewähren muss, dass die Leute Online-Angebote als ortsübergreifend auffassen.“

 

In ihrer beruflichen Laufbahn konnte Chiancone-Schneider viele Erfahrungen mit dem Sprechen vor Publikum sammeln. Tatsächlich habe sie nie großartig Probleme damit gehabt. Sich seiner eigenen Kompetenz bewusst zu sein, helfe sicherlich. „Wenn du über dein Thema referierst, dann bist du auch gut vorbereitet, dann bist du der Experte im Raum.“ Besonders schätze sie die unmittelbare Rückmeldung des Publikums und die Stimmung vor Ort. Erfahrungen, die seit der Corona-Pandemie ausbleiben. Auch ein gewisser Stolz auf das, was man vorab bereits geleistet hat, könne zu mehr Selbstsicherheit beitragen. „Das ist am Ende dieser Dialog der entsteht, du gibst etwas von dir ab und du kriegst auch etwas zurück vom Publikum. Das sollte alles dazu motivieren, denke ich. Das Referieren ist am Ende der Abschluss von dem, was du vorbereitet hast.“

 

Mit den Vorträgen und Publikationen gehen natürlich die Aufgaben der inhaltlichen Recherche und der abschließenden Präsentation einher. Zu der generellen Organisation und Koordination der Termine komme vor allem die Akquise hinzu. Neue Kund*innen für ihre Vorträge und Vortragsreihen zu akquirieren, sei von zentraler Bedeutung. Schließlich könne sie sich nur mit einem Thema auseinandersetzen, das letztlich vom Kunden abgenommen werde. Dabei helfe ihr die eigene Website und ein YouTube-Kanal, die als digitale Visitenkarten fungieren. „Ich erkundige mich, was können für Themen abgenommen werden, die mich auch interessieren. Das ist dann immer ein Kompromiss, wofür die Leute zahlen wollen und was ich auch wirklich leisten kann, weil ich weiß, da habe ich auch einen Bezug zu.“  Oftmals seien es anstehende Jubiläen, die sich als gern genommene Themen erweisen. So konnte sie auch 2011 ihre erste Vortragstournee mit zehn Terminen zu den 150 Jahren seit der italienischen Vereinigungumsetzen. Ein weiteres wichtiges Standbein sind die Publikationen, die thematisch mit den Vorträgen einhergehen und eine Manuskript-ähnliche Stellung einnehmen. Inzwischen fühle sie sich beruflich angekommen. Dennoch habe sie den Traum von einer Festanstellung noch nicht aufgegeben. 

 

Neben ihrer Muttersprache Italienisch spricht Chiancone-Schneider Deutsch auf dem gleichen Niveau und verfügt über Kenntnisse in Englisch, Französisch, Holländisch und Norwegisch. Diese Sprachkenntnisse seien vor allem bei der kunsthistorischen Recherche enorm nützlich. „Das ist für mich eine unwahrscheinliche Genugtuung, das Alles im Original lesen zu können. […] Das ist einfach unwahrscheinlich hilfreich. Und dann macht es mir persönlich Spaß.“ Schon immer habe sie ein sehr ausgeprägtes Interesse für die Sprachen gehabt und besonders wichtig sei ihrer Meinung nach die Motivation diese Sprache zu lernen. 

 

Chiancone-Schneider Lebenslauf beweist, dass sich manchmal ganz andere berufliche Wege ergeben als ursprünglich vorgestellt und die vielen vorangegangenen unterschiedlichen Erfahrungen langfristig von Nutzen sein können. „Es gibt einfach Vorteile von allen Situationen und ich denke, ich habe da einen guten Hintergrund und bin für verschiedene Situationen gewappnet. Das wird der Vorteil sein.“ Und eines haben alle ihre Berufswünsche gemeinsam: Das Schreiben und das Publikum. Es lässt sich vielleicht doch eine zarte rote Linie finden. 

 

„Wir Kunsthistoriker müssen nicht gleich werden untereinander, wir müssen einfach gucken, was uns als Individuen ausmacht, denn das sind unsere persönlichen Interessen und Stärken, die am Ende nicht nur unsere Persönlichkeit, sondern auch wirklich unseren beruflichen Beitrag ausmachen. Das ist unser origineller Beitrag für die Welt, für die Kultur, für die Kunstgeschichte.“

 

Und damit bedanken wir uns herzlich bei Frau Dr. Chiancone-Schneider und wünschen ihr zukünftig mehr freie Zeit, in der sie sich neuen Sprachen widmen kann, um vielleicht doch noch Schwedisch zu lernen. 

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- Annika Kurzhals, veröffentlicht am 22. Januar 2021 

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